Kategorien: Wirtschaft, Startups, China

Die aufmerksamen Leserinnen und Leser unseres Lieblingsbücherblogs erinnern sich sicher an die Buchvorstellung über Chinesische Strategeme (von Prof. Harro von Senger), die den Auftakt zu diesem Blog gemacht hat. Darin ging es um die Wertvorstellungen und gedanklichen Hintergründe chinesischer Erziehungsmuster sowie deren Übertragung in praktische Lebensbeispiele. 

Heute folgt nun ein Buch, das zeigt, wie weit die Umsetzung dieser Strategeme in die Praxis bereits gediehen ist. Früher war China der Schüler und „der Westen“ war der Lehrmeister. Doch wie sieht es heute aus? 

Wolfgang Hirn, der 35 Jahre lang als Redakteur beim manager magazin gearbeitet hat, schrieb nach seiner Pensionierung das soeben im Campus Verlag erschienene Werk „Shenzhen“. Hierin zeigt er auf, welch unvorstellbare Dynamik heute in Shenzhen vorherrscht. Die Geschwindigkeit, mit der sich Prototypen und neue Ideen realisieren lassen, ist dermaßen hoch, dass man sogar schon vom „Shenzhen Speed“ spricht. Wer sich mit Innovationen und strategischer Entwicklung von Unternehmen beschäftigt, kommt nicht umhin, sich mit den Themen dieses Buches zu befassen. 

Worum geht es?

Der märchenhafte Aufstieg Shenzhens zu einer globalen Modellstadt wird gleich am Anfang erzählt. Die Stadt Shenzhen befindet sich wahrlich im Gründungsrausch. Shenzhen ist die Stadt der Entrepreneure, hier träumt fast jeder davon, ein Unternehmen zu gründen und damit reich zu werden. Zugegeben, für viele etablierte deutsche Festangestellte ist dies eine schwer nachzuvollziehende Lebenseinstellung. Doch genau deshalb ist das Buch so herausfordernd und aufrüttelnd. Wolfgang Hirn führt uns deutlich vor Augen, wie sehr Europa im Begriff ist, die Trends komplett zu verschlafen. 

Ganze Branchen werden heutzutage in Shenzhen revolutioniert. Konzerne wie Tencent, der WeChat entwickelt hat, und Ping An, der die Versicherungsbranche revolutionierte und heute das modernste, technologieaffinste Unternehmen der Finanzwelt darstellt, sollen hier nur als Beispiele unter vielen genannt werden. 

In Shenzhen ist heute schon Realität, was manche Menschen sich noch nicht einmal in ihren kühnsten Träumen ausmalen können: Roboter, die Restaurants bedienen, Drohnen, die Verkehrsrowdys verfolgen, Metrostationen, die man per Gesichtserkennung betreten kann, Mülleimer, die sich melden, wenn sie voll sind, und vieles mehr. 

Wolfgang Hirn nennt Ross und Reiter. Er sagt, wer die Firmen sind, die hier an der Spitze der Entwicklung stehen. Er stellt uns deren Gründer vor und erzählt aus ihrem Leben und von ihrer Zielsetzung. Wir werden hineingenommen in eine Welt voller Aufbruch und Chancen, eine Welt voller Startups und erfüllter Träume. Die dazugehörigen möglichen Schattenseiten (Big Brother is watching you, fehlende Demokratie, …) kann sich der Leser sehr leicht selbst dazu ausmalen.

Wenn Sie die Antworten auf folgende Fragen wissen wollen, sollten Sie dieses Buch lesen:

  • Woher stammen 65 Prozent aller höhenwertigen Schuhe dieser Welt?
  • In welcher Stadt befindet sich das Zentrum der globalen Elektroindustrie?
  • Ist es wahr, dass man in Shenzhen innerhalb eines einzigen Tagen von der Geschäftsidee zum fertigen Prototypen gelangen kann?
  • Hat Shenzhen das Silicon Valley mittlerweile abgehängt?
  • Versucht Mark Zuckerberg sein Produkt WhatsApp nach dem Vorbild des chinesischen WeChat zu programmieren?
  • Welche Versicherungsgesellschaft bietet eine Schadensregulierung innerhalb eines einzigen Tages und wie schaffen die das?
  • Welchen Fortschritt haben KI-Experten bei der Vorhersage von Epidemien oder Grippewellen erzielt?
  • Wie groß ist der technologische Vorsprung, den Shenzhen gegenüber den USA im Bereich 5G hat?
  • Welche Firma produziert Kopfhörer, über die nahezu in Echtzeit (mit 1 bis 3 Sekunden Verzögerung) Reden in eine andere Sprache übersetzt werden?
  • Wo werden 80 Prozent aller zivilen Drohnen der Welt hergestellt?
  • Sind die Elektroautos von BYD („Build your dreams“) wirklich besser als die von Tesla?
  • Wie weit ist die Entwicklung von bemannten Lufttaxis fortgeschritten?
  • Warum setzt man in Shenzhen bei der Berufung von Hochschulprofessoren nicht auf ein ausgedehntes Publikationsverzeichnis, sondern auf Erfahrungen im Management?
  • Welche Firmen sind weltweit die Patentweltmeister?
  • Was unterscheidet Hongkong von Shenzhen?
  • Warum wird die Greater Bay Area ein neues Machtzentrum der Welt?

Fazit

Wolfgang Hirn kommt zu folgendem Schluss: „So weit ist es also gekommen: Deutschland ist der Schüler und China der Lehrmeister. Und Shenzhen ist die Lehranstalt.“


Autor: Wolfgang Hirn
Hardcover: 286 Seiten
Verlag: Campus Verlag
Auflage: 1. Auflage (11. März 2020)
Preis: 25,00 Euro

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